Überlebender von Polizeigewalt verklagt das Land Berlin

#Kniefixierung & Polizeigewalt: Bericht vom 2. Prozesstag am 23. Januar 2025

Nachts am 4. November 2019 stellt Zefanias M. am U-Bahnhof U8 Hermannstraße Securitys zur Rede, die in einer eiskalten Nacht eine wohnungslose Person rauswerfen wollen. Zefanias Zivilcourage wendet sich plötzlich gegen ihn selbst: Die Security-Mitarbeiter drangsalieren ihn und wenden Gewalt an. Sie rufen die Polizei und die Situation eskaliert weiter: Polizisten schlagen Zefanias, drücken ihn zu Boden und fixieren ihn minutenlang mit einem Knie im Nacken. Zefanias wird ohnmächtig, überlebt aber zum Glück.
Wegen Widerstand wird er drei Jahre später angeklagt, aber aufgrund von Video-Beweisen freigesprochen.
Jetzt verklagt er das Land Berlin auf Schadensersatz. Die Prozesstage sind durchzogen von Ungereimtheiten und Unterstellungen.

Stumme Videos, die alles sagen
Am 23. Januar 2025, dem zweiten Prozesstag, werden die Videos verschiedener BVG-Kameras gesichtet. Die Aufnahmen sind zwar ohne Ton, aber die zu sehende Gewalt nur schwer zu ertragen. Die Beklagten versuchen, die stummen Bilder der Überwachungskameras zu verdrehen, indem sie ihre physische Gewalt mit angeblichen Beleidigungen zu rechtfertigen suchen (was Zefanias bestreitet). Aber lebensbedrohliche Polizeigewalt ist niemals eine angemessene Reaktion auf Worte – egal welcher Art.

BVG Kameras gesichert durch die Polizei: es fehlen 15 Minuten in der Mitte
Auf allen Kameras fehlen die entscheidenden 15 Minuten, ein merkwürdiger Zufall, der die Richterin nicht weiter interessiert. Zefanias berichtet, dass er von einem Freund, der Polizist war, den Tipp bekommen habe, er solle unter keinem Umständen erwähnen, dass er Videoaufnahmen wegen Polizeigewalt benötigt, sonst wird das Videomaterial, von der Polizei nicht korrekt gesichert. Denn Polizist*innen ermitteln nicht gerne gegeneinander. Trotzdem fehlen 15 Minuten der Sicherung in der Mitte (!) des Sicherungszeitraums von verschiedenen Kameraperspektiven. Sind hier mehrere BVG Kameras parallel ausgefallen? Eher unwahrscheinlich.

“Schauprozess” statt lebensbedrohliche Polizeigewalt?
Der Anwalt des Landes Berlin bezeichnet die Gerichtsverhandlung immer wieder als „Schauprozess“ und will Zefanias die Wahrnehmung seiner Rechte absprechen. Er versucht immer wieder Zefanias als alkoholisiert abzustempeln (obwohl auf den Videos keine Anzeichen von betrunkenem Verhalten erkennbar ist). Er solle die Polizist*innen verbal beleidigt haben (wovon selbst die als Zeug*innen geladenen Polizist*innen in ihren ersten Aussagen nichts schrieben…) und Widerstand geleistet haben. Mal ehrlich: wer Angst hat zu ersticken und von der ausgeübten Gewalt ohnmächtig wird, windet sich in Todesangst. Das als Widerstand auszulegen ist niederträchtig.

Vom Kläger zum Angeklagten
Das eine Polizistin in ihrer Zeuginnen-Aussage Zefanias wiederholt als den Angeklagten bezeichnet, lässt tief blicken, welche Rolle People of Color in ihrem Weltbild haben -dabei ist Zefanias der Kläger!
Auch die Richterin kommt durcheinander und nennt die Polizei-Zeugin zunächst „Kollegin“, bevor sie sich schnell korrigiert…

Kniefixierung verbieten!
In diesem zweiten Prozesstag, geht es viel um die Videos, angebliche Beleidigungen und wer wie agiert habe.
Ein zentraler Punkt dabei ist unserer Meinung nach dabei viel zu unterrepräsentiert: wieso hat die Polizei Zefanias so lange mit einem Knie im Nacken fixiert?
Eine Kniefixierung ist laut einer parlamentarischen Anfrage gar nicht Teil polizeilicher Ausbildung! Der Journalist Ronen Steinke schreibt, dass diese Praxis sogar strikt untersagt ist, da eine Kniefixierung an Hals oder Rücken lebensgefährlich ist!

Gerechtigkeit für Zefanias!
Am 27. März findet ab 11:30 Uhr der dritte Prozesstag statt. Kommt vorbei, seid solidarisch und unterstützt Zefanias vor Gericht. Da wieder mit Polizei- & Einlasskontrollen zu rechnen ist, kommt ihr am besten 20 Minuten früher!

Rund um den Görlitzer Park im Wrangelkiez haben wir wiederholt brutale Polizeigewalt mit der gefährlichen Kniefixierung im Nacken beobachten müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Praxis ein weiteres Menschenleben kostet. Solche Methoden dürfen nicht ungestraft bleiben – die Kniefixierung muss Konsequenzen haben und geahndet und verboten werden!

Am 15. März, dem internationalen Tag gegen Polizeigewalt, werden wir wie jedes Jahr eine Kundgebung durchführen, um auf die immer wieder stattfindende Polizeigewalt hinzuweisen und Betroffenen ein Forum zu geben.

No Justice, no Peace!