Über Polizeieinsätze, Kriminalität und Zahlenspielereien

Ende Oktober 2024 wurden zwei Anfragen zu Zahlen über die Kriminalität im kriminalitätsbelasteten Ort (kbO) Görlitzer Park und Wrangelkiez veröffentlicht (Anfrage von V. Franco und M. Burkert-Eulitz, Grüne & N. Schrader, F. Koçak und E. Eralp, alle Linke).

Kontrolldelikte

An sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten (kbO) ist die Polizei in Berlin massiv präsent und besitzt deutlich erweiterte Befugnisse. So darf sie z.B. anlasslos und verdachtsunabhängig kontrollieren und durchsuchen – und das macht sie dann auch: mehr Polizeipräsenz führt zu mehr Polizeikontrollen und in deren Folge kommt es zu mehr Anzeigen (sogenannte “Kontrolldelikte”). Das ist ähnlich bei Verkehrskontrollen: wenn die Polizei vermehrt Verkehrskontrollen durchführt, gibt es mehr Verkehrsdelikte in den Statistiken.

Mehr Polizei = mehr Kontrollen = mehr Delikte

Im kbO Görli/Wrangelkiez wurden innerhalb eines Jahres (von Juli 2023 bis Juni 2024) 1.637 Kontrolldelikte (Verstöße gegen das Betäubungsmittel-Gesetz bzw. Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht) festgestellt. Dies sind 27,65% aller Deliktei, und das, obwohl mit der Entkriminalisierung von Cannabis ab April 2024 die Zahlen in diesem Bereich stark zurück gegangen sind.

Nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung vom 21.06.2023 kam es zu massiver Polizeipräsenz im Görlitzer Park und im Wrangelkiez. In diesem Zeitraum stiegen die Einsatzstunden der Polizei stark an (Juli 2023: 7.080, August 2023: 9.958, September 2023: 5210, Durchschnitt in den restlichen Monaten: 4.325 Einsatzstunden). Parallel erhöhten sich auch die bereits oben erwähnten Kontrolldelikte (Juli 2023: 236 August 2023: 203, September 2023: 126, Durchschnitt in den restlichen Monaten: 119).

Mit der gestiegenen Polizeipräsenz haben auch die Identitätsfeststellungen und Aufenthaltsverbote vor allem im Juli bis September 2023 zugenommen, was erneut den Zusammenhang von Polizeipräsenz und zunehmenden Kontrollen aufzeigt.

Nach der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem vielfach als unverhältnismäßig kritisierten israelischen Gegenschlag, gab es in Berlin zahlreiche Demonstrationen. Infolgedessen hatte die Polizei keine Zeit mehr für ihre symbolische Präsenz im Görli und im Wrangelkiez und alles war wieder wie vorher.

Grundlegend zum Besseren verändert hat sich in den letzten Jahren bei uns im Kiez – egal ob es mehr oder “normal viel” Polizeipräsenz gab – nichts, im Gegenteil: die Situation hat sich zugespitzt. Verstärkte Polizeikontrollen im Park führten regelhaft zu einer Verdrängung in die Kieze und nicht zu einer Verringerung von Kriminalität. Viele Anwohner*innen rund um den Görli haben die Erfahrung gemacht, dass vor allem geknackte Autos, Diebstahl aus KfZ und andere Diebstahlsdelikte gestiegen sind (z.B. Diebstahl aus Kfz im 2. Halbjahr 2023: 296, Diebstahl aus Kfz im 1. Halbjahr 2024: 342). Betroffen sind vor allem die Reichenberger & Wiener Straße, der Wrangelkiez und Alt-Treptow/Schlesischer Busch. Die genannten Delikte sind sogenannte Anzeigedelikte, sie bilden ab, welche Vorfälle von Anwohner*innen zur Anzeige gebracht werden. Diese Anzeigedelikte sind ein Hinweis auf vermehrte Belastungen von Anwohner*innen vor allem durch Beschaffungskriminalität in der Folge von Drogenkonsum.

Schuld ist immer der Görli
Der Görli gilt als der “schlimmste Drogenpark Deutschlands”, aber 90% aller Delikte finden in den Wohngebieten um den Görli statt, nur 10% der zur Anzeige gebrachten Delikte geschehen im Görli und davon wiederum nur ein Teil in der Nacht. 

Aktuell intensiviert die Polizei ihre nächtliche Präsenz im Park und sorgt damit für höhere Fallzahlen (vgl. Fußnote und hier).

Ausblick
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine nachhaltige Wirkung der polizeilichen Praxis absolut fraglich ist: wir beobachten Verdrängungseffekte statt Problemlösung und keine erkennbare Reduktion von Kriminalität, im Gegenteil.
Ein Zaun und die geplante nächtliche Schließung sowie mehr polizeiliche Präsenz werden deshalb nicht zur nachhaltigen Verringerung der Belastungen von uns Anwohner*innen beitragen.

Deshalb brauchen wir Lösungen, die die zweifelsohne bestehenden Probleme angehen: Konsumräume 24/7 & Tagesanlaufstellen mit weiterführenden Hilfen, Wohnungen & Übernachtungsmöglichkeiten sowie Arbeitserlaubnisse für geflüchtete Menschen.

Soziale Lösungen für soziale Koflikte!
Den Görli weiter öffnen statt Zäune zu bauen!

Der Görli bleibt auf!

Bündnis Görli zaunfrei & Wrangelkiez United!

Dezember 2024

i   Die Zahlen speisen sich aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS). Diese Statistik gibt vor allem ein Bild über die Arbeit der Polizei wieder und sagt nur sehr wenig über das tatsächliche Kriminalitätsgeschehen aus, denn in der Statistik sind nur Vorgänge festgehalten, zu denen die Polizei eine Anzeige gefertigt hat (“Eingangsstatistik”). Ob es später tatsächlich zu Verurteilungen kommt und es sich um gerichtsfest bestätigte strafrechtlich relevante Vorgänge handelt, steht auf einem ganz anderen Blatt.