15. März 2023: internationaler Tag gegen Polizeigewalt

Der internationale Tag gegen Polizeigewalt wurde am 15. März im Jahr 1997 von der kanadischen Initiative Collectif Opposé à la Brutalité Policière (C.O.B.P.) gemeinsam mit der Schweizer Gruppe »Black Flag« initiiert, nachdem in der Schweiz zwei Kinder im Alter von elf und zwölf Jahren Opfer von Polizeigewalt wurden. Der Tag ist dem Gedenken der Betroffenen und Opfer von Polizeigewalt gewidmet und wird weltweit von Menschen unter anderem in Kanada, Mexiko, USA, Nigeria, Kolumbien, der Schweiz und Spanien begangen.

Seit dem letzten Jahr beteiligen auch wir uns an diesem weltweiten Aktionstag mit anderen Copwatch-Gruppen, die Veranstaltungen in Hamburg, Bremen, Dresden, Kiel und Frankfurt durchführen.

Allein im Jahr 2022 sind laut einer Zählung von Death in Custody 10 Personen aufgrund von Polizeigewalt verstorben. Wir möchten ihnen und allen anderen Opfern von Polizeigewalt heute bei dieser Veranataltung gedenken.

Wir wollen heute unseren Schwerpunkt auf eine besondere Form von Polizeigewalt legen, die wir auch hier im Görli immer wieder beobachten: Vor allem mit der Ermordung von Georg Floyd geriet diese polizeiliche Praxis, Menschen mit einem Knie auf dem Hals oder im Nacken zu quälen und zu töten in den Blickpunkt einer kritischen Öffentlichkeit, und das zurecht, denn ein Knie auf dem Hals oder im Nacken ist lebensgefährlich!

Auch im Wrangelkiez wurden wir Zeug*innen davon, zuletzt im August vergangenen Jahres, als Polizisten eine Schwarze Person, solange mit einem Knie im Nacken gequält haben, bis sie ohnmächtig wurde. Über mehrere Minuten hatte er vor Schmerzen geschrien, die handelnden Polizisten ignorierten das und machten weiter bis er ohnmächtig wurde.

Im vergangenen Oktober wurde in Spandau mit diesem Vorgehen ein Schwarzer Mann von Polizist*innen sogar getötet.

Im November wurde ein weiterer Fall in Berlin an einem Gericht verhandelt, der sich bereits 2019 ereignete. Die betroffene Person, schwarz, hatte 15 Minuten ein Knie im Nacken und wurde schließlich ohnmächtig.

Gegenüber der Presse berichtet er: „Ich habe gesagt: ‚Ich glaube, ich ersticke‘. Da meinte der Polizist nur: ‚Hoffentlich‘“. Er hat überlebt. Dafür musste er sich vor Gericht wegen tätlichen Angriffs, Körperverletzung und Beleidigung gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. „Polizisten dürfen dich schlagen und quälen, aber wehe, du beleidigst sie“, stellt er verbittert fest.

Dabei ist diese polizeiliche Praxis gar nicht Teil der Ausbildung, wie wir letztes Jahr in einer Anfrage erfahren haben! Dennoch wird sie immer wieder praktiziert und die Gesundheit und das Leben der von Polizeigewalt Betroffenen aufs Spiel gesetzt. Und immer wieder sind vor allem People of Colour, Schwarze Menschen, obdachlose und psychisch beeinträchtigte Menschen davon betroffen. Und häufig werden Überlebende dieser lebensgefährlichen Polizeigewalt hinterher noch juristisch angegangen. Eine niederträchtige Täter-Opfer-Umkehr.

Der Journalist Ronen Steinke hat recherchiert, dass jede Form von Gewalt (oder “unmittelbarem Zwang”, wie es in der Polizeisprache heißt) nur legal ist, soweit sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, um zum Beispiel eine verdächtige Person festzunehmen. Das Fixieren des Kopfes ist nicht per se unzulässig. Aber: Hals und Wirbel sind tabu. Das lernten Polizist*innen im Einsatztraining. Die Gefahr von Wirbelverletzungen ist zu groß. Auch entsteht rasch ein Erstickungsrisiko. Nach einer Reihe von Todesfällen in den USA ist auch die sogenannte Bauchlagenfesselung hierzulande untersagt. Gemeint ist, dass sich ein Beamter auf den Rücken eines Gefesselten kniet. Das Problem ist, dass dabei die Lunge gestaucht wird.

Gewalt darf bei der Polizei generell nur als letztes Mittel und so wenig wie erforderlich zum Einsatz kommen.

Doch dieses lebensbedrohlichen Praktiken sind weiterhin Teil polizeilicher Praxis und immer wieder auch hier im Görli zu beobachten. Wir fragen uns warum, wenn die Ausbildung und Rechtslage so klar sind?

Welche Rolle spielen Rassismus und diskriminierende Einstellungen? Handelt es sich um ein strukturelles Problem?

Ein anderes Problem ist, auch dass offiziell nur dokumentiert wird, wenn Menschen bei Polizeieinsätzen durch Schüsse getötet werden. Von den anderen, die durch Einsatz von körperlicher Gewalt, Pfefferspray, Taser oder auch auf ungeklärte Weise sterben, erfährt die Öffentlichkeit, wenn überhaupt nur durch Presseberichte. Eigentlich gehört zu den Grundlagen des Rechtsstaats, dass das Handeln der Polizei kontrolliert werden muss. Solange wir als Gesellschaft aber gar nicht genau wissen, wie häufig, wo und in welcher Form die Polizei Gewalt einsetzt, ist eine solche rechtsstaatliche Kontrolle polizeilichen Handelns nicht möglich.

Denn fast nie wird eine verantwortliche Person für diese Handlungen zur Rechenschaft gezogen, im Gegenteil, die Betroffenen von Polizeigewalt werden angeklagt und mundtot gemacht.

Wichtig wäre es daher, endlich unabhängige Ermittlungen zu gewährleisten!